Hoffnungsschimmer vom 30. Mai 2020
Es ist Abend und ich komme von der Arbeit nach Hause. Es war ein anstrengender Tag und ich weiß nicht, was mich gleich erwartet. Ich sitze im Auto und irgendwie findet der Wagen selbst den Weg heimwärts. Obwohl ich mich auf den Verkehr konzentriere, rutsche ich irgendwie ab. Ich höre die Stimmen im Radio, wichtig, manchmal viel zu laut und irgendwie immer schlechte Nachrichten verbreitend, dann endlich Musik. Ich erkenne das Lied und automatisch summe ich mit, einige Liedtexte singe ich sogar mit. Dabei ist es mir ganz egal, ob es sich bei dem Lied um ein englisches, spanisches, französisches oder was weiß ich für ein Lied handelt. Die Melodie gefällt mir und dann singe ich mit. Ich fühle mich frei, die Sonne scheint und das Lied erfüllt mich mit einer Freude, die es herauszuschreien, ok, hier raus zu singen gilt. Wenn ich dann so im Auto sitze, spüre ich nach einiger Zeit die Blicke aus den anderen Fahrzeugen. Ich fühle mich ertappt, was soll ich machen? Weiter Singen, aufhören, verschämt zur Seite blicken, so tun, als ob ich was am Mund hätte und vielleicht gegähnt habe. Oder soll ich einfach die Blicke ignorieren und sie völlig außer Acht lassen? Meistens muss ich dann lächeln und dann singe ich extra weiter, denn das Lied bringt in diesem Moment Freude. Diesen Moment will ich mir nicht entgehen lassen, nein, der gehört mir.
Zu Hause angekommen muss ich mir aber nochmal Gedanken machen. Deutsche Lieder und deren Texte verstehe ich ja und viele von ihnen haben sogar einen tieferen Sinn, doch die anderssprachigen Lieder geben manchmal nur ein wenig von sich preis. Da gibt es Musikpassagen, die einfach klasse sind, aber der Text? Wäre es nicht schön, wenn man alle Sprachen sprechen oder verstehen könnte? Aber halt, da war doch mal was, ja, damals der Turmbau von Babel. Alle Menschen hatten die gleiche Sprache, jeder konnte jeden verstehen, jeder wusste sofort, was der andere meinte. Eigentlich eine ganz tolle Sache. Ich brauche keine Vokabeln mehr zu lernen und auch keine Grammatik, denn jeder versteht mich, und benötigt keine großartigen Erklärungen mehr. Lieber Gott, toll gemacht, oder doch nicht? Gott sah es wohl anders und erkannte, dass es in diesem Moment nicht schön ist, die gleiche Sprache zu sprechen, denn diese hätte ein Unheil zur Folge gehabt, das Unheil, sich auf eine Stufe mit Gott zu stellen, bzw. zu versuchen über ihm zu stehen, dies symbolisch durch den Bau des Turmes. Gott machte kurzen Prozess und schon wurde der Mensch in seine Schranken verwiesen. Viele Sprachen entstanden und es dauerte lange, bis die Menschen sich wieder einigermaßen miteinander unterhalten konnten. Schade eigentlich, denn so wurde vieles viel schwerer. Jetzt müsste man doch meinen, Gott sei nun zufrieden mit seinem Werk. Nein, nein, wir wissen selbst, dass es ein weiteres Ereignis gab, und dieses Ereignis war und ist Pfingsten. Jetzt kam der Heilige Geist über die Jünger herab, und diese priesen Gott und jubelten laut. Die Menschen, die die Jünger hörten, wunderten sich. Denn obwohl sie der Sprache der Jünger gar nicht mächtig waren, hörten sie dennoch ohne sich anstrengen zu müssen die Botschaft in ihrer eigenen Sprache. Für einen Moment verstanden die Menschen wieder einander, die gemeinsame Sprache war wieder da. Der Geist Gottes hatte sich über das ganze Land gelegt, er schaffte das, was bislang keiner vermocht hatte. Er formte schüchterne und ängstliche Menschen zu wahren Wunderrednern, die ihre Ängste beiseitelegten, die jetzt knallhart sagten, woran sie glaubten, worauf sie hofften und wie sie ihr eigenes Leben von nun an führen wollten.
Und da ist sie wieder, die Gemeinsamkeit von damals und von heute. Wir die Menschen, in einer Zeit, die einfach nur schrecklich ist oder uns wenigstens so erscheint. Angst und Schwäche sind unsere Kameraden. Die Sprache wird härter, unangenehmer. Im Augenblick reagieren wir viel sensibler auf so manches Wort, wir wollen viele Dinge nicht mehr wahrhaben. Es reicht jetzt, wir stehen mit ganz vielen Meinungen da und doch wissen wir nicht, wie es weiter gehen soll. Genau in diesem Moment kommt Pfingsten auf uns zu. Wir haben so viel in der letzten Zeit ertragen, geduldet, erlebt und erlitten und jetzt kommt Pfingsten, das Fest, an dem sich Gott und sein Sohn uns gegenüber noch einmal offenbart. Er kommt zu uns und bestärkt uns. Er teilt uns mit, dass wir stark sind, dass wir viel aushalten können und müssen, und dass es jetzt ganz wichtig ist nicht aufzugeben, sondern jetzt unsere Stärken zu zeigen. Und dies nicht im Sinne von Gewalt, Murren und Streitigkeiten, sondern in der Form des Begreifens, des genauen Erkennen, des Verstehens, in der Art Nächstenliebe zu geben und zu vermitteln und nicht eine Verharmlosung der jetzigen Situation herauf zu beschwören. Mut und Glauben an die Welt, so wie sie jetzt ist, zu vermitteln und ganz klar zu zeigen, wir wollen was verändern, aber wir wollen diese Welt nicht durch unseren Egoismus zerstören. Wir wollen uns in die Hände von Jesus, Gott Vater und dem Heiligen Geist geben, auf ihn vertrauen und voller Hoffnung in die Zukunft gehen. Dabei sind wir nicht so naiv zu sagen, alles wird schon irgendwie gut werden. Wir warten jetzt mal einfach ab und dann wird es schon alles seine Wege gehen. Nein, so nicht. Aber wir sollten vernünftig miteinander umgehen, wir sollten zusammen einen Weg suchen und finden, der dann einen gemeinsamen Nenner für die Lösung unserer Probleme bereithält.
Denn eins ist gewiss, für unser Leben sind wir eigenständig verantwortlich. Für die Welt tragen wir alle die Verantwortung und doch sollte es nicht sein, dass wir nur die materiellen Dinge in den Vordergrund stellen sollten. Wem nützen alle Reichtümer der Welt etwas, wenn man erkrankt ist und eine Rettung nicht in Aussicht steht? Unser Leben in ordentliche Bahnen zu bringen, uns voll auf Gottes Wege einzulassen und mit und durch ihn Entscheidungen zu treffen, sollte stets unser Ziel sein.
Wie bin ich jetzt auf dies hier alles gekommen? Ach ja, Musik, Sprachen, Gefühle, Liebe, Pfingsten, Gott Vater, Jesus, Heiliger Geist.
Möge Pfingsten in Euch allen wahr werden! Lasst Eure Hoffnung zum Himmel steigen, glaubt mir, sie wird erhört und wir werden wieder auf gute Zeiten zusteuern. Pfingsten hat die Jünger seinerzeit stark gemacht und Ihr seid stark und wir alle sind stark, denn wir haben etwas, was viele vergessen oder aber auch nicht wahr haben wollen. Wir haben Gott auf unserer Seite und trotz allem sprechen wir dieselbe Sprache.
Euer Christoph Lammerding
Diözesanvorsitzender